Horch! Horch! Welch Klirrklang in der Luft
Wie von rasselnden Schwerterklingen!
Jäh stürzt der Föhn in Schlucht und Kluft
Mit glutbefiederten Schwingen!
Da bricht das Eis wie rostiger Stahl,
Lawinen und Wildbäche donnern zu Tal,
Und wieder ringt sich vom Mutterschoß
Der Erde ein neues Leben los:
Es geht dem Lenz entgegen!
Doch nachts, wenn Nebel im Wetterbraus
Zwischen Gräbern gespenstig wallen
Dann steigen viel tote Helden heraus,
Die im Kampf fürs Recht einst gefallen:
Sie scharen sich wehrhaft kühn zuhauf
Sie werfen Barrikaden auf,
Sie straffen die Leiber von Wunden so rot,
Sie schwören der Tyrannei den Tod
Den ewigen Tod bis ans Ende!
Und sie fluchen mit drohender Knochenfaust
Ihrer Mörder rauchender Schande…
Doch wie Sturm, wie Frühlingsgewitter braust
Ihr Treuschwur über die Lande!
Die Augen, ob lang erloschen schon,
In opfermut’ger Begeistrung lohn,
Und jede Brust durchflammt ein Lied,
Das längst von erstorbenen Lippen schied:
Der Freiheit Marseillaise! —
Jüngst hört ich den Sang — und hab sie gesehn
In der Nacht des Achtzehnten Märzen:
Nun spür ich davon den Odem wehn
Zutiefst im eigenen Herzen! —
Vom einsamen Grabfeld schweift mein Blick
Verdüstert ins Chaos der Zeit zurück:
Viel Tausend erlagen… Noch immer schreit
Gen Himmel Unrecht und Menschenleid —
Noch immer protzt die Gemeinheit…
Doch seht ihr nicht zum lodernden Brand
Weithin die Geister entzündet?
Proletarier haben sich Hand in Hand
Zu mächtiger Einheit verbündet!
Uns kettet die Not, nicht tändelndes Spiel:
Die Welt zu erlösen, ist unser Ziel!
Mag kommen, was da kommen mag,
Wir spotten jedem Vernichtungsschlag —
Gerechtigkeit muß werden!
O Tag der Freiheit, o Sieg des Lichts,
Den wir alle erstrebend ahnen:
Bald erscheinst du leuchtenden Angesichts
Im Triumphzug roter Fahnen!
Schon prangt im Halmtrieb unsere Saat:
Wohlan, der Ernte Verheißung naht,
Und feiernd tanzt die Erde mit
Unter freier Völker Millionentritt —
Wir schreiten dem Lenz entgegen!
Ernst Kreowski, 1904