Es gärt and brodelt in Paris
Gleich einem Hexenkessel
Zertrümmert ist das Kaiserreich
Zersprengt des Cäsars Fessel
Es geht das Volk von Banden frei
Und wirft sich selbst die Lose
Errichtet ist die Republik
Die langersehnte, große
Doch wieder hat das Bürgertum
Den Proletar betrogen
Und wieder seinen Vorteil nur
Aus all der Not gezogen
Umsonst der Jammer dieses Kriegs,
Umsonst des Hungers Wehe —
Das arme Proletariat,
Das Lasttier blieb’s wie ehe
Da bricht hervor des Volkes Zorn
Wie Sturm aus Felsenschlünden,
Aufsteht vor ihm die Junischlacht
Mit all den alten Sünden,
Zum dritten Mal die Republik
Sieht es entehrt, verraten,
Und plötzlich wachsen aus dem Grund
Empor die Barrikaden
Es weicht die Protzenrepublik
Dem ersten Sturm der Masse,
Und Herr ist plötzlich in Paris
Das arme Volk der Gasse.
Vom Stadthaus flattert keck im Wind
Und rings von allen Wällen
Der Freiheit rotes Schlachtpanier,
Das Banner der Rebellen
Hei, wie das durch die Lande ging
Wie wildes Wetterbrausen!
Hei, wie das durch die Lüfte zog
Wie Frühlingsstürmesausen
Aufdämmerte ein Völkerlenz
Und höher schlugen die Herzen
Und neue Hoffnung ging durchs Volk
Am Achtzehnten des Märzen
Doch war die Knechtschaft noch zu stark
Noch war sie allzu mächtig,
Sie brach das junge, grüne Reis
Das aufging frühlingsprächtig
Sie hat zerstampft mit rauhem Fuß
Die ersten zarten Blüten
Und hätt am liebsten gar den Lenz
Zermalmt in ihrem Wüten.
Aufbäumte sich in wilder Wut
Bedroht in dem Besitze
Das Bürgertum — und bestiengleich
Sprang es von seinem Sitze;
Es lieh der Schergen feile Brut
Vom Landesfeind im Norden
Und hetzte sie aufs eigne Volk
Zum tollen Massenmorden
Kein Mitleid galt und kein Pardon
Kein menschlich edles Fühlen —
Nur Blut und immer wieder Blut
Die Rache drin zu kühlen.
Nicht der Gefangene ward geschont
Selbst Kinder nicht und Weiber —
Die Ordnungsbestie wollte Blut
Und wollte zuckende Leiber.
Wohl schlug das Volk sich heldenhaft
Von Feinden rings umschlossen,
Wohl hat es für die Sache sein
Das Herzblut kühn vergossen,
Wohl deckte es die Republik
Mit seiner Leichen Walle —
Umsonst! Verrat und Übermacht,
Sie brachten es zu Falle
Es kam das grause Trauerspiel
Der blut’gen Maienwoche
Die größte Schandtat aller Zeit
Das Brandmal der Epoche
Der schaudervollste Massenmord
Im Dienst der Staatenlenker
Die Schmach, die keine Sühne tilgt
Vom Haupte dieser Henker
Und doch umsonst das Wüten all
Umsonst die Füsilladen,
Der Siegeslorbeer ist verdorrt,
Gepflückt auf Barrikaden,
Es schwankt der Boden unter euch
Trotz Fluchen und trotz Beten —
Getreten habt ihr wohl das Volk
Doch nimmermehr zertreten.
Vieltausend Heldenleiber still
In dumpfen Gräbern modern
Doch langst erstanden ist ihr Geist
Vergeltung keck zu fodern.
Es steht das Volk in neuer Kraft
Und rüttelt an den Ketten,
Und nimmer wird ein Blutbad euch
Vor seinem Siege retten.
Ernst Klaar, um 1890