Als hätt ein tollgewordner Hund (Zum 18. März)

Als hätt ein tollgewordner Hund
Sie alle ins Gehirn gebissen
So haben sie in toller Wut
Die Mäuler damals aufgerissen.

„Mordbrenner, Schufte, Communards”,
So schrien sie, und „Petroleusen”.
„Schad, daß man sie nicht noch einmal
Zerreißen kann mit Mitrailleusen.” —

Was man den Zulus nicht versagt,
Selbst Wilden nicht des Feuerlandes
Die Anerkennung nach dem Sieg
Des heldenhaften Widerstandes

Das gab’s für die Kommune nicht.
Bespieen wurde noch ihr Schatten.
“Was, Tapferkeit? Das war ja nur
Die Blutgier von Kloakenratten.”

Dagegen — welch Triumphgeschrei!
Als die Versailler “Prachtsoldaten”
Mit „Ach!” und „Krach” und mit Verrat
Besiegt das Volk der Barrikaden

Da wurde jeder feige Kerl
Zum europäischen Tageshelden.
Und „Hosianna” schrien im Chor
Die Lumpen und die „Gutgestellten”.

Das ist das ekle. Dazumal
Nicht solche nur, „die etwas haben”
Die Ärmsten selbst dem toten Leu
Den feigen Eselsfußtritt gaben.

In Unschuld wusch sich jedermann
Die Hände nach den Märzenwochen,
Als man das kranke Herz der Welt
Roh mit dem Bajonett durchstochen.

Die „Krankheit” war ja hübsch „kuriert”.
Das „wilde” Herz konnt nicht mehr schlagen.
Des Körpers Schicksal aber kann
Nun jede scharfe Nase sagen.

Ein Faulgeruch allüberall,
Die Welt beginnt sich zu zersetzen
Auf eine Leiche freilich braucht
Man keinen „Doktor” mehr zu hetzen.

Was man noch „Leben” nennt, das ist
Das heisere Gekrächz der Raben;
0 europäische Kultur —
Laß dich getrost und ruhig begraben.

Eduard Fuchs, 1897